Die Geschichte der Illenau
„Liebe - Diene“ - Die Anfänge als Musteranstalt
Der erste Direktor – Christian Roller
Die Illenau – in der Umgebung kennt sie jeder und jeder Acherner verbindet seine ganz eigenen Erinnerungen mit ihr. Viele wissen von ihrer ruhmreichen Vergangenheit als Heil- und Pflegeanstalt, mancher weiss von den scheußlichen Verbrechen während des dritten Reiches. In der Dokumentation Illenau – Die Geschichte einer ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt werden 175 Jahre badische Geschichte erstmalig filmisch zusammen gefasst.
Errichtet in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts galt die Illenau in ihren Anfängen als wahre Musteranstalt. Zahlreiche nachfolgende Heil- und Pflegeanstalten wurden nach ihrem Beispiel angelegt und wohlhabende Patienten aus ganz Europa ließen sich freiwillig hier einliefern. Untrennbar verbunden mit der Geschichte der Illenau ist ihr Gründer und erster Direktor Christian Friedrich Willhelm Roller (1802-1878).
In jungen Jahren trug er im Rahmen einer Studienreise Informationen über bereits bestehende Anstalten zusammen und entwickelte aus dem gesammelten Wissen seine persönliche Vorstellung der perfekten Einrichtung. 1831 publizierte er dann seine Pläne unter dem Titel Die Irrenanstalt nach allen ihren Beziehungen.
Im Zeitraum von 1838 bis 1842 wurden Rollers Pläne in die Tat umgesetzt und die Illenau am Fuße der Hornisgrinde von der badischen Regierung erbaut.
Heinrich Hansjakob
Auch Heinrich Hansjakob war einer derjenigen Patienten, die ihren Aufenthalt in der Illenau freiwillig fristeten. Der berühmte Schriftsteller, Pfarrer und Politiker aus Hassel schrieb in der Illenau sein Tagebuch mit Namen Aus kranken Tagen.
In der Illenau-Dokumentation trägt David Nathan – die deutsche Stimme von Johnny Depp – Zitate aus dem Buch Hansjakobs vor.
Was war neu?
Die Innovation von Rollers Konzept liegt in der Verbindung einer Heilanstalt mit einer Pflegeanstalt, erklärt Illenau-Experte Walther Stodtmeister im Rahmen der Dokumentation. Der Reformpsychiater Roller war bekannt für den humanen Umgang, den er mit seinen Patienten pflegte.
Nicht allein die naturbelassene Lage außerhalb der Stadt gewährleistete den Patienten einen erholsamen Aufenthalt, damals völlig neuartige Therapie-Ansätze sollten Rollers Patienten Linderung verschaffen. Sein Sprichwort lautete: „Liebe – Diene“.
Was genau die neuartige und richtungsweisende Bauweise der Illenau ausmachte, welche Therapiemethoden unter Roller und seinen Nachfolgern eingeführt wurden, wer die Direktoren und wer die Patienten der Illenau überhaupt waren – das erfahren Sie ab Oktober in unserer Dokumentation.
„Wohin bringt ihr uns?“ - Illenau während des dritten Reiches
Zwangs-Sterilisation
So prachtvoll die Anfänge der Illenau auch waren, so schrecklich war ihr Ende. In Folge des ersten Weltkriegs waren Heil- und Pflegeanstalten wie die Illenau hoffnungslos überfüllt.
Im Fehlglauben, geistige Erkrankung seien vererblich, wurden zahlreiche Patienten gegen ihren Willen sterilisiert, sodass sie fortan zeugungsunfähig waren. Aber das sollte noch nicht die größte Schande in der Geschichte der Psychiatrien gewesen sein.
Die „Euthanasie“ und der letzte Direktor
„Euthanasie“ ist griechisch und bedeutet so viel wie der „gute Tod“. Im Kontext der erschütternden Morde des dritten Reiches ist dieser Begriff ein irreleitender Euphemismus, eine Beschönigung der grausamen Realität, um die Wahrheit zu vertuschen.
Auch in Achern wurden Nazi-Verbrechen solcher Art in die Wege geleitet. Doktor Arthur Schreck, der letzte Illenau-Direktor, übernahm im Frühjahr 1940 die Anstalt Illenau mit dem erbarmungslosen Auftrag, die Räumung der Heil- und Pflegeanstalt durchzuführen. Er genoß zu diesem Zeitpunkt bereits den Ruf als der „Schreck der Heil- und Pflegeanstalten“.
Er sollte die Anzahl von ca. 600 Patienten auf ca. 300 verringern. Vom Schreibtisch aus urteilte er über die Patientenfälle und legitimierte mit seinem Gutachten die Tötung der Kranken, die daraufhin in grauen Bussen mit verkalkten Scheiben zur Tötungsanstalt Grafeneck in der Schwäbischen Alb transportiert wurden, um dort vergast zu werden.
Gedenkraum im Illenau-Museum
Im Illenau-Museum befindet sich heute ein Raum zum Gedenken der Opfer. Die Worte „Wohin bringt ihr uns?“ sind deutlich lesbar für jeden, der ihn betreten will auf einer grauen Wand des Eingangsbereiches zu lesen.
Andrea Rumpf, Acherns Stadtarchivarin und befragte Illenau-Expertin forscht noch heute nach den Namen der ermordeten Personen, um diese dann samt Altersangabe zum Zeitpunkt der Tötung auf Holztafeln an den Wänden des Gedenkraumes anbringen zu lassen.
Zeitzeugin und Opfer – Helene Lanig
Noch im Jahr 1940, nur zwei Jahre vor ihrem hundertjährigen Bestehen, wurde die Illenau aus der Liste der badischen Heil- und Pflegeanstalten gestrichen. Unter dem Regime der Nationalsozialisten kehrte die sogenannte „Schule für Reichsdeutsche“ in den Acherner Gebäudekomplex ein.
Nun wurde die einst so gefeierte Einrichtung verwendet, Kinder aus Südtirol und Polen zu „germanisieren“. Im Rahmen der Dokumentation berichtet Zeitzeugin Helene Lanig, die im Kindesalter selbst aus Polen verschleppt und in der Illenau hinter Gittern festgehalten wurde, über ihr grauenvolles Schicksal im dritten Reich. Noch heute, so berichtete sie uns, verfolgen sie jene Ereignisse in ihren Träumen.
Französische Besatzung
Nach dem Zweiten Weltkrieg zog die französische Armee in die Gebäude der Illenau und besetzte diese nahezu fünfzig Jahre lang. Das Illenau-Gelände war für deutsche Besucher während der gesamten Besatzungszeit gesperrt und nur ausgewählte Personen wurde der Zutritt gewährt.
Im Rahmen der Illenau-Dokumentation berichten Experten über ihre Erinnerungen und das abgeschiedene Zusammenleben mit den Franzosen in Achern.
„Die Hoffnung stirbt zuletzt“ - Die Illenau heute
Erhalt des historischen Gebäudekomplexes
Nach dem Abzug der französischen Luftwaffe aus der Illenau im Jahr 1992 standen die Acherner vor der großen Frage, was sie mit dem wenngleich historisch-wertvollen so doch völlig heruntergekommenen Gebäudekomplex am Stadtrand tun sollen.
Befragte Illenau-Experten wie der damalige Oberbürgermeister Reinhart Köstlin und Unternehmer Siegfried Stinus, der maßgeblich zum Erhalt der Illenau beitrug, berichteten vor den Kameras über ihre Erlebnisse und Erinnerungen. Fest steht: dem beispiellosen Engagement ausgewählter Personen aber auch der Acherner Bevölkerung ist es gedankt, dass dieser einzigartige und wertvolle Ort für die Gegenwart zugänglich und für die Nachwelt erhalten bleiben kann.
So befindet sich heute unter vielen anderen Institutionen etwa die Acherner Stadtverwaltung in den Gebäuden der Illenau.
Die Dokumentation zum 175-jährigen Jubiläum
Noch vor zwanzig Jahren hätte wohl niemand geglaubt, dass die Illenau einmal mehr zum Glanz und der Blüte Ihrer Anfangsjahre zurückfinden würde. Doch, um es mit den Worten des Oberbürgermeisters und Illenau-Experten im Rahmen der Dokumentation Klaus Muttach zu formulieren: „Die Hoffnung stirbt zuletzt!“.
Im Jahr 2017 hat die Illenau nun allen Grund sich von ihren Achernern feiern zu lassen, denn die ehemalige Heil- und Pflegeanstalt wird 175! Auch aus diesem Anlass entstand die ca. 90-minütige Dokumentation, welche die gesamte Historie der Illenau durch Befragung von 12 Experten unter die Lupe nimmt.
Mit bestechende Videoaufnahmen des sehenswerten Gebäudes zu jeglicher Jahreszeit, bei Vollmond und aus der Luft entführen wir Sie auf eine Reise in die badische Vergangenheit. In nachgestellten Szenerien verkörpern die renommierten Schauspieler des Illenau-Theaters wichtige Persönlichkeiten wie Direktor Roller und Schreck und erwecken somit die Vergangenheit zu neuem Leben.
Zitate des Schriftstellers Heinrich Hansjakob und selten gesehene Fotografien längst vergangener Zeiten werden es Ihnen ermöglichen, sich in der so wechselhaften, wunderschönen aber auch erschreckenden Geschichte der Illenau zu verlieren.
Die Filmdokumentation Illenau – Die Geschichte einer ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt ist ab Oktober 2017 in den umliegenden Kinos zu sehen und wir freuen uns, Sie bei einer unserer Vorstellungen begrüßen zu dürfen.
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